Handschriften

Initiale aus der GumbertusbibelIn einer Universitätsbibliothek, die erst Mitte des 18.Jahrhunderts gegründet wurde, würde man im Allgemeinen keine mittelalterlichen Handschriften vermuten. Dennoch gehört die Universitätsbibliothek (UB) zu den bayerischen Bibliotheken mit einem umfangreichen Bestand an mittelalterlichen und neuzeitlichen Manuskripten. Sie besitzt insgesamt an die 2400 Handschriften, darunter knapp 700 mittelalterliche, die ursprünglich aus dem Zisterzienserkloster Heilsbronn, dem Franziskanerkloster Sankt Jobst bei Bayreuth, der Schlossbibliothek Ansbach und der Universitätsbibliothek Altdorf stammen, und im 18. und 19. Jahrhundert nach Erlangen überführt wurden.

Zwar überwiegt die theologische Gebrauchsliteratur, es befinden sich aber auch einige überaus kostbare Einzelstücke darunter. Dazu gehören die älteste Handschrift, die Erlangen besitzt, das sogenannte Fuldaer Evangeliar (H62/MS 9), das um 850/870 in Fulda hergestellt wurde und über die Schlossbibliothek Ansbach nach Erlangen kam, ebenso wie eine zweite karolingische Bibelhandschrift (H62/MS 10[1)  beziehungsweise H62/MS 10[2), die nur wenig jünger ist, und die berühmte Gumbertusbibel (H62/MS 1), entstanden Ende des 12. Jahrhunderts, die zu den seltenen romanischen Riesenbibeln zählt.

Wenn auch mittelalterliche Handschriften überwiegend in Latein abgefasst wurden, so besitzt die UB auch Handschriften in deutscher und griechischer Sprache, darunter einen Band mit den in der byzantinischen Kirche gebräuchlichen liturgischen Texten, das “Hieratikon mikron” vom Anfang des 11.Jahrhunderts (H62/MS.A 2), sowie einige deutsche Manuskripte, darunter das berühmte Lehrgedicht “Der Renner” von Hugo von Trimberg (H62/MS.B 4) und “Die Jagd” von Hadamar von Laber (H62/MS.B 9). Besondere Erwähnung verdienen auch das in Nordfrankreich verfertigte Stundenbuch (H62/MS 144) und die prachtvolle, in Grisaillemalerei ausgeführte “Epître d′Othéa” von Christine de Pisan (H62/MS 2361), beide in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden.

Gumbertusbibel

Um 1100 entstand in Ober- beziehungsweise Mittelitalien eine neue Art von illuminierten Bibeln, die sogenannten romanischen Riesenbibeln im Großfolioformat mit überaus reichem Bilderschmuck. Unter den wenigen erhaltenen Exemplaren gehört die Gumbertusbibel, die sich heute in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (UB) befindet, zu den größten und am reichsten illuminierten Handschriften. Sie wurde zwischen 1175 und 1195 geschrieben, ob in Regensburg oder Salzburg, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt, und enthält 39 Miniaturen, 16 Ganzbildseiten und 65 Schmuckinitialen.

Die Gumbertusbibel gehörte zu den kostbarsten Schätzen der Ansbacher Stiftsbibliothek. Mitte des 8. Jahrhunderts gründete der fränkische Edelfreie und später heiliggesprochene Gumprecht, latinisiert Gumbertus, ein Benediktinerkloster in Ansbach, das kurz nach der Jahrtausendwende in ein Chorherrenstift umgewandelt wurde. Im Jahre 1195 kaufte der damalige Stiftsdekan von Sankt Gumbertus, Gotebold, für die damals immense Summe von 12 Talenten die berühmte Gumbertusbibel. Das Werk war so teuer, dass auch die Ansbacher Bürger dazu ansehnliche Geldbeträge beisteuerten. Nach der Auflösung des Gumbertusstifts kam die Stiftsbibliothek in die neu gegründete Konsistorialbibliothek in Ansbach und von dort 1733 in die Schlossbibliothek der Ansbacher Markgrafen. Kurz bevor Preußen im Zuge der napoleonischen Politik das Markgraftum Ansbach an Bayern abtreten musste, ließ König Friedrich III. die Schlossbibliothek in das damals noch preußische Erlangen überführen. So kam die Gumbertusbibel zusammen mit vielen anderen Schätzen in die UB, wo sie noch heute aufbewahrt wird und zu den größten Kostbarkeiten der Bibliothek zählt.

Die Handschrift wurde 2012 bis 2014 von einer internationalen Wissenschaftlergruppe intensiv erforscht. Eine Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg im Frühjahr 2014 stellte die Gumbertusbibel der Öffentlichkeit vor.

Tora mit Onkelos, Megillot und Haftarot

Zu den wichtigeren hebräischen Handschriften der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg gehört die Handschrift ″H62/MS 1252″ mit 225 Pergamentblättern (36,5 x 51 cm). Sie enthält zunächst den in Paraschot (Wochenlesungen) gegliederten Text der Tora, dem jeweils versweise die aramäische Paraphrase aus dem Targum Onkelos (Blatt 1r-166v) folgt. Daran schließen sich die fünf Festrollen (Hohelied, Rut, Kohelet, Klagelieder, Ester; Blatt 166v-183v) sowie die Haftarot genannten Leseabschnitte aus den Prophetenbüchern (Blatt 183v-224v) an.

Die Handschrift ist in schöner aschkenasischer Quadratschrift abgefasst und dürfte ins 13. Jahrhundert nach Christus zu datieren sein (anders Irmischer, S. 1, und Lutze, S. 273, die sie ins 15. Jahrhundert datieren). Der Text ist vokalisiert und akzentuiert sowie mit einer Masora magna und Masora parva versehen (abgesehen von einzelnen unvokalisierten Versen vor allem im Bereich der Haftarot). Hauptsächlich wird der Text in drei Spalten wiedergegeben; Ausnahmen bilden die Darstellungen einzelner poetischer Texte oder der letzten Seite eines Buches (zum Beispiel Blatt 55v, 115r, 192r und andere).

Leider ist die Handschrift nicht vollständig erhalten: So fehlen nicht nur der Anfang (der Text setzt erst bei Ex 27,29 ein), sondern auch innerhalb der Handschrift eine Lage (Lev 4,34-10,4) und einzelne Blätter (Num 10,17-11,21). Möglicherweise indizieren die Lagenzählung auf dem letzten Blatt (224v) und der nicht vollständige letzte Vers (1 Kön 9,1), dass die Handschrift auch noch die Haftarot weiterer besonderer Schabbatot enthalten haben dürfte (vergleiche Roth, S. 43).

Auch wenn die Handschrift in ihrer Textauswahl liturgisch orientiert ist, dürfte sie als Codex wohl kaum in jüdischen Gottesdiensten beziehungsweise Festliturgien verwendet worden sein. Gelegentlich auftretende Marginalien von unterschiedlicher Hand und Datierung könnten möglicherweise auf ihre Verwendung zur Vorbereitung von Gottesdiensten oder zu Studienzwecken hinweisen.

Eine Besonderheit der Handschrift sind die einfarbigen Illustrationen und Verzierungen, die insbesondere im Bereich der Tora sowie gelegentlich bei den Buchanfängen der Festrollen auftreten (zum Beispiel Blatt 56r, 115v, 166v, 168v, 175v). Allerdings finden sich vor allem im Buch Leviticus weitere Illustrationen und Skizzen, hauptsächlich von Pflanzenornamenten oder Tieren. Über die von E. Lutze (S. 273) und E. Roth (S. 43) bereits beschriebenen Illustrationen hinaus sind hier beispielsweise die Skizzen auf Blatt 38r, 44v, 45r und 165r zu nennen.

Die Handschrift wurde zu unterschiedlichen Zeiten mit zwei gegenläufigen Blattzählungen versehen. Eine folgt der hebräischen Leserichtung und nummeriert von rechts nach links, die andere folgt der lateinischen Leserichtung. Diese ″lateinische″ Nummerierung beginnt am Ende des Buches und wird lediglich in eckigen Klammern angegeben, da sich ein Teil der Literatur auf diese Zählung bezieht.

Die Handschrift stammt aus der ehemaligen Universitätsbibliothek Altdorf, wie eine Eintragung im hinteren (beziehungsweise in hebräischer Leserichtung vorderen) Einbanddeckel ausweist; weitere Provenienzvermerke fehlen. Die Eintragung ″Altd. Theol. p. 112. N. 144. // Am. I.″ nimmt Bezug auf das entsprechende Katalogisat im zweiten Band des vierbändigen handschriftlichen Realkatalogs der Altdorfer Bibliotheken, der die Titel des Faches Theologie verzeichnet und den der Bibliothekar Christoph Bonaventura Herzer in den Jahren 1748/49 angefertigt hatte (Catalogus librorum Theologicorum Bibliothecae Publicae Academiae Altdorfinae). Die seit 1623 bestehende Universität Altdorf wurde im Jahr 1809 aufgelöst. Die Bücher der Altdorfer Bibliotheken kamen in den Jahren 1818/19 in die Universitätsbibliothek Erlangen.

Literatur:

  • Irmischer, Johann Konrad: Handschriften-Katalog der Königlichen Universitäts-Bibliothek zu Erlangen, Frankfurt am Main und Erlangen 1852.
  • Lutze, Eberhard: Die Bilderhandschriften der Universitätsbibliothek Erlangen, Erlangen 1936.
  • Roth, Ernst / Striedl, Hans: Hebräische Handschriften, Band 2 (Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland 6,2), Wiesbaden 1965.

Delia Klingler